Glöckle Rechtsanwälte

Untreue (§ 266 StGB)

Der strafrechtliche Tatbestand der Untreue (§ 266 StGB) ist ein häufig unterschätzter, aber besonders praxisrelevanter Straftatbestand. Dieser betrifft vor allem Geschäftsführer, Vorstände, Vereinsvorsitzende und andere Personen, die mit der Verwaltung fremden Vermögens betraut sind. In diesem Beitrag erklären wir, was genau unter Untreue zu verstehen ist, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen.

 

266 StGB dient dem Schutz des Vermögensinhabers vor Nachteilen, die durch Personen entstehen, denen die Verwaltung oder Aufsicht über dieses Vermögen anvertraut wurde. In der Praxis kommt insbesondere der Organuntreue bei juristischen Personen Relevanz zu. Die breite Öffentlichkeit ist durch eine Reihe aufsehenerregender Strafverfahren auf das Delikt der Untreue aufmerksam geworden. Prominente Beispiele sind die viel diskutierte Mannesmann-Entscheidung des BGH, die sich mit millionenschweren Bonuszahlungen an Vorstandsmitglieder befasste, die Schmiergeldaffäre bei Siemens, bei der systematisch schwarze Kassen zur Finanzierung illegaler Zahlungen unterhalten wurden, oder das am Landgericht Essen verhandelte Verfahren gegen den Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff.

Was ist eine Untreue im Sinne des § 266 StGB?

Eine Untreue gemäß § 266 StGB liegt vor, wenn vorsätzlich Pflichten zur Betreuung fremder Vermögensinteressen verletzt werden und in diesem Zuge ein Nachteil für das zu betreuende Vermögen entsteht.

 

Im Rahmen einer Untreue wird daher eine eingeräumte Dispositionsbefugnis ausgenutzt und fremdes Vermögen geschädigt. Es ist dabei nicht erforderlich, dass das Vermögen in diesem Zuge verschoben oder übertragen wird. Das Vermögen wird vielmehr von innen heraus geschädigt. Untreue kann in zwei Formen begangen werden. In der sogenannten Missbrauchsvariante werden im Außenverhältnis die im Innenverhältnis vereinbarten Befugnisse überschritten. In der sogenannten Treubruchsvariante wird die im Innenverhältnis übertragene Dispositionsbefugnis für eine Vermögensschädigung ausgenutzt. Untreue wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet.

 

Was sind typische Fallkonstellation einer Untreue?

 

Der Tatbestand der Untreue gewinnt besondere Bedeutung in wirtschaftsstrafrechtlichen Ermittlungen – insbesondere im Zusammenhang mit Insolvenzen, Korruptionsverdacht oder internen Revisionsprozessen, bei denen Anhaltspunkte auf ein pflichtwidriges Verhalten mit Vermögensschädigung zu Tage treten.

 

Typische Beispiele der Untreue nach § 266 StGB sind:

 

  • Der Geschäftsführer nutzt Firmengelder für private Zwecke, ohne dass eine Rückzahlung erfolgt.

 

  • Vorstände treffen riskante Investitionsentscheidungen ohne Rücksprache mit dem Aufsichtsrat.

 

  • Vereinsvorstände vergeben Aufträge an Bekannte, obwohl das Angebot deutlich teurer ist als marktüblich. Der Verein erleidet dadurch einen erheblichen finanziellen Nachteil.

Strafen beim Vorwurf der Untreue gem. § 266 StGB

Infografik zu den Strafen bei einer Untreue gem. § 266 StGB

Welche Strafen drohen bei einer Untreue gemäß § 266 StGB?

Die Strafandrohung reicht von Geldstrafe bis zu Freiheitsstrafe von 5 Jahren. In besonders schweren Fällen (z. B. großer Vermögensschaden, bandenmäßiges Vorgehen) kann auch eine höhere Strafe in Betracht kommen, die von einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren reicht.

 

Für die Strafzumessung gelten die allgemeinen Regeln des § 46 StGB. Dies bedeutet, dass das Gericht im Rahmen seiner Entscheidung sowohl belastende als auch entlastende Umstände berücksichtigt. Dazu zählen unter anderem das Ausmaß des entstandenen Schadens, die Beweggründe des Täters, sein Vorverhalten, die Art und Weise der Tatausführung sowie sein Verhalten nach der Tat – etwa, ob er Einsicht zeigt, den Schaden wiedergutmacht oder mit den Ermittlungsbehörden kooperiert.

 

Strafmildernd kann berücksichtigt werden, wenn die Pflichtverletzung nur geringfügig war, kein erheblicher Schaden eingetreten ist oder der Täter selbst unter Druck gehandelt hat. Die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens wirkt sich zugunsten des Beschuldigten aus und stellt einen wesentlichen Strafzumessungsfaktor dar. Sie kann im Einzelfall zu einer milderen Bestrafung führen oder sogar Anlass geben, ganz von einer Strafe abzusehen.

Wann liegt ein besonders schwerer Fall der Untreue gem. § 266 StGB vor?

Über den Verweis in § 266 Abs. 2 StGB können die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle aus § 263 Abs. 3 StGB auch auf die Untreue entsprechend angewendet werden. Damit soll – ähnlich wie beim Betrug – in besonders gravierenden Fällen eine Strafschärfung ermöglicht werden.

 

Im Einzelnen lassen sich folgende Fallgruppen unterscheiden:

 

  • Gewerbsmäßige Untreue: Wer Untreue begeht, um sich durch wiederholte Taten eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, handelt gewerbsmäßig.

 

  • Vermögensverlust großen Ausmaßes: Die Verursachung eines Schadens ab etwa 50.000 Euro wird von der Rechtsprechung in der Regel als ein besonders schwerer Fall gewertet.

 

  • Verursachung wirtschaftlicher Not: Wenn durch eine Untreuehandlung eine natürliche oder juristische Person in existenzielle finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann auch dies einen besonders schweren Fall begründen.

 

  • Untreue durch Amtsträger: Wenn ein Amtsträger seine Befugnisse missbraucht, um Untreue zu begehen, kann dies ebenfalls strafschärfend wirken.

 

Die gesetzlich geregelten (und auch die unbenannten) besonders schweren Fälle führen nicht automatisch zu einer Strafschärfung. Vielmehr handelt es sich lediglich um Regelbeispiele, deren Wirkung entkräftet werden kann.

Strafrechtliche Nebenfolgen einer Untreue gem. § 266 StGB

Infografik zu Strafen bei Untreue

Welche Voraussetzungen müssen für eine Untreue nach § 266 StGB vorliegen?

Nach gefestigter Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur besteht das zentrale Merkmal der Untreue in der Verletzung einer Pflicht zur treuhänderischen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen, aus der ein entsprechender Vermögensnachteil resultiert. Der Täter missbraucht dabei seine Vertrauensstellung, um das ihm anvertraute Vermögen zum Nachteil des Berechtigten zu beeinflussen oder zu mindern. Der Straftatbestand der Untreue dient damit dem Schutz des Vermögens vor innerer Gefährdung – also vor Schädigungen, die nicht von außen, sondern durch pflichtwidriges Handeln aus dem inneren Verantwortungsbereich heraus entstehen.

 

Im Zentrum des Untreuetatbestands steht die Verletzung einer rechtlich begründeten (Missbrauchstatbestand) oder tatsächlichen Vertrauensstellung (Treubruchstatbestand) im Umgang mit fremdem Vermögen.

 

Der Gesetzgeber unterscheidet daher zwei Varianten:

 

  • Missbrauchstatbestand

 

  • Treubruchstatbestand

Was ist unter dem Missbrauchstatbestand zu verstehen?

Charakteristisch für den Missbrauchstatbestand der Untreue ist, dass der Täter nach außen rechtlich befugt handelt, also im Rahmen seiner formellen Vertretungsmacht (Außenverhältnis), dabei jedoch gegen interne Weisungen oder Befugnisbeschränkungen verstößt (Innenverhältnis), wodurch dem Vermögensinhaber ein Nachteil entsteht. Voraussetzung ist zunächst, dass der Täter über eine Rechtsmacht verfügt – also befugt ist, im Namen eines anderen über dessen Vermögen zu verfügen oder Verpflichtungen einzugehen.

 

Beispiel: Ein Prokurist überschreitet seine internen Befugnisse bei einem Geschäft, das er formal abschließen darf – aber zum Schaden des Unternehmens.

 

Was fällt unter den Treubruchtatbestand?

 

Eine zentrale Voraussetzung ist das Bestehen einer Pflicht zur Betreuung fremden Vermögens, die dem Täter durch Gesetz, behördliche Anordnung, vertragliche Vereinbarung oder aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übertragen worden sein muss. Die Tathandlung im Rahmen des Treubruchtatbestands besteht in einem beliebigen vermögensbezogenen Verhalten, durch das der Täter seine Pflicht zur sorgfältigen Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen verletzt.

 

Beispiel: Im Rahmen sogenannter Kick-back-Modelle kommt es häufig zu Vereinbarungen, bei denen insbesondere Geschäftsführer oder Vorstände juristischer Personen verdeckte Rückvergütungen („Schmiergeld“) von Geschäftspartnern erhalten. Die Struktur dieser Vereinbarungen ist typischerweise so gestaltet, dass die Schmiergeldzahlungen indirekt über das Unternehmen finanziert werden, indem die juristische Person überhöhte Zahlungsverpflichtungen eingeht – etwa durch künstlich aufgeblähte Preise in Verträgen mit Dritten. § 266 StGB ist in solchen Fällen erfüllt, wenn die Zahlungspflicht den objektiven Wert der Leistung übersteigt und die Differenz – regelmäßig in Höhe des Kick-backs – keinerlei wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft bringt.

Welche Verteidigungsmöglichkeiten bestehen beim Vorwurf der Untreue?

Die Vorschrift der Untreue hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem zentralen Element des Wirtschaftsstrafrechts entwickelt. Die Aussage „Untreue passt immer“ bringt prägnant zum Ausdruck, wie breit dieser Straftatbestand mittlerweile interpretiert wird. Auch wenn die Anzahl der Fälle im Vergleich zu anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Tatbeständen gering ist, prägt § 266 StGB das öffentliche Bild der Wirtschaftskriminalität maßgeblich. In den vergangenen 25 Jahren hat sich der Anwendungsbereich der Untreue zudem stetig erweitert. So geraten zunehmend auch Führungskräfte aus der Wirtschaftselite ins Visier der Ermittlungsbehörden – oft im Interesse eines effektiven Schutzes der Vermögensinteressen von Unternehmen und Anteilseignern.

 

Auch in Verfahren wegen Untreue sind Verständigungen nach § 257c StPO keine Seltenheit. Das liegt vor allem an den typischen Beweisschwierigkeiten, die sich bei der strafrechtlichen Bewertung von wirtschaftlichen Entscheidungen ergeben. Besonders bei komplexen oder risikobehafteten Geschäftsvorgängen fällt es der Strafverfolgung oft schwer, eine gravierende Pflichtverletzung oder einen konkret bezifferbaren Vermögensnachteil zweifelsfrei nachzuweisen.

 

Gerade hier eröffnet sich ein vielversprechendes Feld für die Strafverteidigung: Die juristische und tatsächliche Bewertung, ob ein Verhalten lediglich als unternehmerisches Risiko einzuordnen ist oder bereits die Schwelle zur Strafbarkeit überschreitet, bietet regelmäßig Ansatzpunkte für eine effektive Verteidigungsstrategie. Durch frühzeitige Einflussnahme, fundierte rechtliche Argumentation und gegebenenfalls durch das Aufzeigen alternativer Deutungen wirtschaftlicher Zusammenhänge können Anwälte die Erfolgsaussichten für ihre Mandanten deutlich verbessern – sei es im Wege einer Verständigung oder mit dem Ziel eines Freispruchs.

Wann verjährt Untreue?

Die Straftat der Untreue nach § 266 StGB verjährt in der Regel nach 5 Jahren. Diese Frist ergibt sich aus § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB und beginnt mit Beendigung der Tat – also sobald die pflichtwidrige Vermögensverfügung abgeschlossen ist oder, bei fortgesetztem Verhalten, mit dem Ende der Handlung.

 

Die Verjährung kann durch bestimmte Maßnahmen unterbrochen werden, etwa durch die erste Vernehmung des Beschuldigten, der Erlass einer Durchsuchungsanordnung oder die Erhebung der Anklage. In solchen Fällen beginnt die Verjährungsfrist erneut zu laufen.

 

Welches Gericht ist zuständig für die Untreue nach § 266 StGB?

 

Für Untreuestrafverfahren ist in der Regel das Amtsgericht sachlich zuständig. Liegt jedoch eine hohe Straferwartung vor oder kommt dem Verfahren eine besondere Bedeutung zu, kann die Zuständigkeit auf das Landgericht übergehen (§ 74 Abs. 1 S. GVG). Handelt es sich zudem um komplexe Sachverhalte, die besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens voraussetzen, ist die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zuständig (§ 74c Abs. 1 Nr. 6a GVG).

Untreue

Wie werden wir für Sie tätig?

Verteidigung im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Vorwurf der Untreue

Wir legitimieren uns bei der Staatsanwaltschaft als ihr Verteidiger, fordern die Ermittlungsakte an und prüfen auf dieser Basis die gegen Sie erhobenen Vorwürfe und die dem Vorwurf zugrundeliegenden Tatsachen. Die Ermittlungsakte und den Sachstand des Ermittlungsverfahrens besprechen wir mit Ihnen im Detail und erarbeiten sodann eine effiziente Verteidigungsstrategie. Die Verteidigung kann sich in diesem Stadium auch auf eine schriftliche Stellungnahme beschränken.

Einspruch gegen einen Strafbefehl mit dem Vorwurf der Untreue

Bei einem Strafbefehl ist besondere Eile geboten, da nur zwei Wochen ab Zustellung Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden. Wir legen fristgerecht Einspruch für Sie ein und vertreten Sie vor Gericht. 

Verteidigung vor einem Strafgericht nach erfolgter Anklageerhebung

Sollte die Staatsanwaltschaft bereits eine Anklage gegen Sie erhoben haben, übernehmen wir Ihre Verteidigung vor Gericht. Selbstverständlich prüfen wir auch hier zuvor die Inhalte der Anklageschrift und gleichen diese mit den Inhalten aus der Ermittlungsakte ab. Dies stellt die Basis für eine effiziente Verteidigung dar. 

Vertretung von Geschädigten

Ebenfalls werden wir auf Opferseite tätig, wenn Sie geschädigt wurden. In diesem Fall unterstützen sie bei der Strafanzeige, stellen Strafanträge oder begleiten das Verfahren als Nebenkläger.

Ihre Anwälte beim Vorwurf der Untreue

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