In der zunehmend komplexen Wirtschaftswelt stehen viele Unternehmen vor finanziellen Herausforderungen, die oftmals in eine Insolvenz münden. Einer der größten Fehler, die Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder von Kapitalgesellschaften in dieser Situation machen können, ist die verspätete Anzeige einer Insolvenz. Da sich im Fall der Insolvenzverschleppung die verbleibende Haftungsmasse regelmäßig weiter verringert, besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur fristgebundenen Stellung eines Insolvenzantrags.
Im Falle einer vorsätzlichen Verschleppung der Insolvenz ist eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorgesehen, wenn trotz entsprechender Antragspflicht der Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gestellt wird. Für den Fall fahrlässigen Handelns ist eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr möglich. Bei einer Insolvenzverschleppung drohen nicht nur Strafen in Form einer Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern auch andere schwerwiegende Konsequenzen, woraus auch nachhaltige Vertrauensverluste bei Geschäftspartnern und Kunden resultieren können.
Der Insolvenzverschleppung kommt in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu. Allein im Jahr 2023 wurden 4.271 Fälle der Insolvenzverschleppung in der polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Die Tendenz der Strafverfolgung der Insolvenzverschleppung ist daher signifikant steigend. Durch die hohe Strafandrohung beim Tatbestand der Insolvenzverschleppung sollen potenzielle Gläubiger vor einem Zahlungsausfall geschützt werden.
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn eine handlungspflichtige Person eines Unternehmens (einer Kapitalgesellschaft), beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH oder die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, es versäumt eine Insolvenz rechtzeitig anzuzeigen, obwohl das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Nach § 15a der Insolvenzordnung (InsO) besteht in diesen Fällen die Pflicht, unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Wichtig ist, dass der Tatbestand des § 15a InsO nur für juristische Personen und nicht für Einzelunternehmen gilt.
Im Rahmen der Corona-Pandemie wurde zeitweise die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, um Unternehmen, die regulär zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet gewesen wären, die Möglichkeit einzuräumen sich durch die Inanspruchnahme staatlicher Hilfsmittel oder Verhandlungen mit Gläubigern finanziell zu sanieren.
Wo ist der Tatbestand der Insolvenzverschleppung geregelt?
Mit dem am 01.11.2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen wurde in Form des § 15a InsO eine zentrale Vorschrift für die Insolvenzantragspflicht geschaffen. Durch die Haftungsbeschränkung von Kapitalgesellschaften und anderen Gesellschaften ohne eine vollhaftende natürliche Person sind die Vermögensinteressen der Gläubiger im Fall der Insolvenz des schuldnerischen Unternehmens stark gefährdet. Durch die Verpflichtung der Unternehmen, rechtzeitig das Insolvenzverfahren einzuleiten und in der Folge aus dem Markt auszuscheiden, sollen zum einen die Gläubiger des Unternehmens, maßgeblich durch den Erhalt der Haftungsmasse, als auch der allgemeine Rechtsverkehr geschützt werden. Es soll zudem gewährleistet werden, dass das Insolvenzverfahren ordnungsgemäß abläuft und die Gesellschaft oder Körperschaft insolvenzrechtlich korrekt abgewickelt wird.
In § 15a InsO wird die Pflicht zur Anzeige der Insolvenz für Vertreter von juristischen Personen geregelt. Diese müssen ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß den Vorschriften der InsO beantragen.
Strafbar ist die
Umfasst sind sowohl juristische Person (beispielsweise die GmbH, AG, Genossenschaft, SE) als auch Personengesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (zum Beispiel die entsprechend strukturierte OHG oder KG).
Die juristische Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit muss zahlungsunfähig oder überschuldet sein.
Täter (oder Teilnehmer) einer Insolvenzverschleppung können dem Gesetz nach folgende Personen sein:
Achtung: Wenn ein Vertreter des Unternehmens aus dem Unternehmen ausscheidet, beispielsweis durch Amtsniederlegung oder Abberufung durch die Gesellschafterversammlung, entfällt seine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht unbedingt. Falls sich das Ausscheiden innerhalb der 3-Wochen-Frist (§ 15a Abs. 4 InsO) ereignet, ist dieser verpflichtet noch vor seinem Ausscheiden einen Insolvenzantrag zu stellen oder zumindest seinen Nachfolger zur Antragstellung zu veranlassen.
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO findet keine Anwendung auf Vereine und Stiftungen; ggf. ergibt sich aber eine Haftung über § 43 BGB.
Eine Strafbarkeit besteht, wenn der Antrag nicht, nicht rechtzeitig oder nicht richtig gestellt wird. Der Eröffnungsantrag ist beispielsweise unrichtig, wenn
Es besteht allerdings Straffreiheit, wenn das Insolvenzgericht einen ursprünglich unzulässigen Eröffnungsantrag zulässt, weil beispielsweise der Antragspflichtige innerhalb der ihm vom Insolvenzgericht gesetzten Frist entgegenstehende Mängel korrigiert.
Wann muss der Insolvenzantrag gestellt werden?
Der Insolvenzantrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die jeweilige Person Kenntnis vom Vorliegen des Insolvenzgrundes hat. Es obliegt sodann dieser Person, zu entscheiden, wann sie den Eröffnungsantrag einreicht. Allerdings ist dieser Entscheidungsspielraum durch die gesetzlich festgelegte Höchstfrist von drei Wochen ab dem Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung beschränkt.
Die vorsätzliche Insolvenzverschleppung wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft, während für die fahrlässige Verschleppung der Insolvenz eine Strafandrohung von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr besteht.
Gemäß § 46 Abs. 1 StGB ist die Schuld des Täters Grundlage für die Zumessung der Strafe. Hierfür wesentlich ist insbesondere die Frage, in welchem Ausmaß durch die unterlassene Antragstellung die Sicherungsinteressen der Gläubiger der Gesellschaft verletzt wurden. Strafschärfend wirkt sich zudem aus, wenn aufgrund der Fortführung des Geschäftsbetriebs nach Eintritt der Krise weitere Verbindlichkeiten in erheblichem Umfang begründet werden. Auch die Dauer der Insolvenzverschleppung spielt aus diesem Grund eine tragende Rolle bei der Strafzumessung. Strafmildernd wirken sich folgende Umstände aus:
Was ist der Unterschied zur fahrlässigen Insolvenzverschleppung?
Strafbar ist sowohl die vorsätzliche als auch fahrlässige Insolvenzverschleppung. Von einem (bedingten) Vorsatz ist zumindest dann auszugehen, wenn der Betroffene es als möglich ansieht, dass die wirtschaftliche Situation der juristischen Person oder Gesellschaft zur Stellung eines Eröffnungsantrags verpflichtet und er dennoch keinen Antrag gestellt hat.
Eine fährlässige Insolvenzverschleppung ist insbesondere anzunehmen, wenn das Geschäftsleitungsorgan die Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung zwar nicht erkannte, allerdings im Rahmen seiner Möglichkeiten hätte erkennen können.
Es drohen diverse, gravierende außerstrafrechtliche Risiken für Verurteilte im Rahmen einer Insolvenzverschleppung, beispielsweise:
Wie wird eine Insolvenzverschleppung strafrechtlich verfolgt?
Die Insolvenzgerichte müssen gemäß Ziffer IX. der Anordnungen über Mitteilung in Zivilsachen (MiZi) der zuständigen Staatsanwaltschaft sowohl die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse als auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzeigen. In diesem Zusammenhang wird regelmäßig das Vorliegen eines Anfangsverdachts von Amts wegen geprüft und ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Sofern es zu einer Anklage kommen sollte, wird diese grundsätzlich beim Amtsgericht und nur bei besonderer Bedeutung des Falls bei der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts erhoben (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG).
Wann verjährt die Insolvenzverschleppung?
Die Verjährung tritt bei der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung nach fünf Jahren ein (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Bei einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung verjährt die Tat bereits nach drei Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Für den Beginn der Verjährungsfrist ist die Beendigung der Tat relevant, das heißt, der Zeitpunkt, ab dem die Antragspflicht entfällt.
Der Tatbestand der Insolvenzverschleppung hat weitreichende Folgen für Unternehmen. Eine proaktive und rechtzeitige Herangehensweise ist unerlässlich, um rechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Wir können Sie hierbei anwaltlich beraten und verfügen über mehrjährige Erfahrung bei Insolvenzen von Einzelunternehmen und Privatpersonen.
Im Falle des Vorwurfs der Insolvenzverschleppung oder anderer insolvenzstrafrechtlicher Vorwürfe unterstützen wir Sie umfassend, indem wir eine klare Verteidigungsstrategie entwickeln, Sachverhalte rechtlich einordnen und Sie während des gesamten Prozesses beraten und verteidigen. Besonders wichtig ist es, frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um strafrechtliche Risiken zu minimieren und nachteilige strafrechtliche und wirtschaftlichen Folgen zu begrenzen.
Aufgrund der Komplexität der tatbestandlichen Voraussetzungen der insolvenzstrafrechtlichen Delikte und der Notwendigkeit der Bewertung der Unternehmenskennzahlen zur Feststellung der Strafbarkeit, ergeben sich auch im Rahmen eines Strafverfahrens zahlreiche Ansatzpunkte für die Entwicklung einer effektiven Verteidigungsstrategie.
Wir nehmen zunächst Akteneinsicht und prüfen den gesamten Sachverhalt. Daneben analysieren wir, ob die insolvenzstrafrechtlichen Vorwürfe gerechtfertigt sind. Diese Bewertung setzt betriebswirtschaftliche Kenntnisse, insbesondere im Bilanzrecht, voraus. Diese Fähigkeiten folgen unmittelbar aus unserer steuerlichen Ausbildung und Expertise, weshalb wir hier ebenfalls eine ganzheitliche Beratung mit der Fähigkeit zur Datenanalyse anbieten können.
Wir legitimieren uns bei der Staatsanwaltschaft als Ihr Verteidiger, fordern die Ermittlungsakte an und prüfen auf dieser Basis die gegen Sie erhobenen Vorwürfe der Insolvenzverschleppung. Selbstverständlich beraten wir auch in anderen insolvenzstrafrechtlichen Straftatbeständen, wie beispielsweise Bankrott (§ 283 StGB) oder Gläubigerbegünstigung (§ 283c StGB). Die Ermittlungsakte und den Sachstand des Ermittlungsverfahrens besprechen wir mit Ihnen im Detail und erarbeiten sodann eine effiziente Verteidigungsstrategie. Die Verteidigung kann sich in diesem Stadium auf eine schriftliche Stellungnahme beschränken.
Wir analysieren Ihre betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und eruieren anhand dieser eine etwaige Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung; selbstredend proaktiv zur Vermeidung etwaiger strafrechtlicher Risiken im Krisenfall.
Bei einem Strafbefehl ist besondere Eile geboten, da nur zwei Wochen ab Zustellung Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt werden. Wir legen fristgerecht Einspruch für Sie ein und vertreten Sie vor Gericht.
Sollte die Staatsanwaltschaft bereits eine Anklage gegen Sie beim Vorwurf der Insolvenzverschleppung oder anderer insolvenzstrafrechtlicher Straftatbestände erhoben haben, übernehmen wir Ihre Verteidigung vor Gericht. Selbstverständlich prüfen wir auch hier zuvor die Inhalte der Anklageschrift und gleichen diese mit den Inhalten aus der Ermittlungsakte ab. Dies stellt die Basis für eine effiziente Verteidigung dar.