Glöckle Rechtsanwälte

Untersuchungshaft

Die Anordnung von Untersuchungshaft stellt einen gravierenden Eingriff in die persönliche Freiheit dar und ist für Betroffene sowie deren Angehörige eine belastende Situation. Sie erfolgt nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, wenn ein dringender Tatverdacht besteht und konkrete Haftgründe vorliegen, wie Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Ziel der Untersuchungshaft ist nicht die Bestrafung, sondern die Sicherung des Strafverfahrens: Sie soll verhindern, dass Beschuldigte fliehen, Beweise manipulieren oder weitere erhebliche Straftaten begehen.

 

Für Laien ist das Thema oft undurchsichtig: Welche Faktoren beeinflussen die Dauer der Untersuchungshaft im Einzelfall? Welche Rechte haben Beschuldigte? Und wie kann eine Verteidigung frühzeitig Einfluss auf die Haftprüfung nehmen?

Untersuchungshaft – Kurz und kompakt erklärt

Die Untersuchungshaft (U-Haft) ist eine besondere Form der Freiheitsentziehung, die nicht der Strafe, sondern der Sicherung des Verfahrens dient. Ein Haftbefehl darf nur erlassen werden, wenn ein dringender Tatverdacht besteht und ein gesetzlich anerkannter Haftgrund vorliegt – typischerweise Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr. Zudem muss die Anordnung verhältnismäßig sein.

 

Auch in der Untersuchungshaft gelten umfassende Rechte, etwa das Recht auf anwaltlichen Beistand, Besuchsrechte sowie die Möglichkeit, gegen den Haftbefehl Beschwerde oder Haftprüfungsanträge zu stellen. Liegt in einem Ermittlungsverfahren ein Haftbefehl vor, wird das Verfahren zur Haftsache und ist mit höchster Priorität zu führen. Haftsachen gehen allen anderen Strafverfahren vor. Ermittlungsbehörden und Gerichte sind verpflichtet, sämtliche naheliegenden und zumutbaren Schritte zu unternehmen, um die Ermittlungen zügig voranzutreiben und rasch eine gerichtliche Entscheidung über die vorgeworfenen Straftaten zu ermöglichen. Kommt es hingegen zu erheblichen Verzögerungen – etwa weil das Gericht überlastet ist und ein Verhandlungstermin nicht absehbar festgelegt werden kann – spricht dies regelmäßig dafür, dass der Haftbefehl unverhältnismäßig geworden ist und rechtlich angreifbar ist.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Untersuchungshaft angeordnet werden?

Die gesetzlichen Anforderungen an die Anordnung von Untersuchungshaft ergeben sich aus den §§ 112, 112a, 113 und 127b Abs. 2 StPO. Damit ein Haftbefehl ergehen darf, müssen zwei zentrale Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen muss ein dringender Tatverdacht bestehen, also eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die vorgeworfene Straftat begangen hat. Daneben muss mindestens einer der gesetzlich vorgesehenen Haftgründe vorliegen.

 

Zu den Haftgründen, bei deren Vorliegen eine Untersuchungshaft angeordnet werden kann, zählen:

 

  • die tatsächliche Flucht (§ 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO),
  • die Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO),
  • die Gefahr, dass Beweise beeinflusst oder Ermittlungen behindert werden (Verdunkelungsgefahr, vgl. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO),
  • eine erhebliche Wiederholungsgefahr bei bestimmten Delikten (§ 112a StPO) oder
  • im beschleunigten Verfahren die Befürchtung, dass der Beschuldigte der Hauptverhandlung fernbleiben wird (§ 127b Abs. 2 StPO).

 

Zusätzlich verlangt das Gesetz stets die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Untersuchungshaft darf nur verhängt werden, wenn sie im konkreten Fall nicht außer Verhältnis zur Schwere der Tat und zur zu erwartenden Strafe steht.

 

Die angenommenen Haftgründe sind für Beteiligte und Angehörige oftmals nicht nachvollziehbar und führen zu persönlichen Ausnahmezuständen. Die Einholung einer Beratung eines Strafverteidigers ist von zentraler Bedeutung.

Haftgründe für die Anordnung von Untersuchungshaft

Infografik zur Untersuchungshaft

Was ist unter einem dringenden Tatverdacht zu verstehen?

Ein dringender Tatverdacht, bei dem eine Untersuchungshaft angeordnet werden kann, liegt vor, wenn die bisherigen, verwertbaren Ermittlungsergebnisse insgesamt dafür sprechen, dass der Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit Täter (oder Teilnehmer) der vorgeworfenen Straftat ist. Bloße Vermutungen reichen dabei nicht aus; der Verdacht muss sich auf konkrete, belastbare Tatsachen stützen. Er muss zudem eine Tat betreffen, die strafrechtlich verfolgt werden kann, also rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde; auch ein strafbarer Versuch genügt.

 

Da die Anordnung der Untersuchungshaft einen gravierenden Eingriff in das Grundrecht auf persönliche Freiheit darstellt, ist der Verdachtsgrad deutlich höher anzusetzen als für die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Für den Beginn eines solchen Verfahrens genügt bereits der einfache Anfangsverdacht, also ein auf konkrete Anhaltspunkte und kriminalistische Erfahrung gestützter Verdacht, dass eine Straftat begangen worden sein könnte.

 

Für den Haftrichter, der im Ermittlungsverfahren über die Anordnung der Untersuchungshaft entscheidet (§ 125 Abs. 1 StPO), sind nur die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden, in den Akten dokumentierten und gerichtlich verwertbaren Erkenntnisse maßgeblich. Ermittlungsresultate, die erst erwartet werden, dürfen so lange keine Rolle spielen, bis sie tatsächlich vorliegen und rechtlich verwendet werden können.

Ist immer ein Haftgrund zur Anordnung der Untersuchungshaft erforderlich?

Bei besonders schweren Straftaten kann ein Haftbefehl ausnahmsweise auch ohne Vorliegen eines Haftgrundes angeordnet werden (§ 112 Abs. 3 StPO), unter anderem bei

  • Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch,
  • schweren Staatsschutzdelikten,
  • besonders schweren Sexualdelikten gegen Kinder,
  • schwersten Gewaltdelikte sowie
  • schweren Brandstiftungsdelikten.

 

Der Gesetzgeber geht bei diesen Delikten von einer besonders hohen Gefährlichkeit und einer ausgeprägten Flucht- und Verdunkelungsgefahr aus.

Welche Zuständigkeit besteht für die Anordnung eines Haftbefehls bei Untersuchungshaft?

Die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Untersuchungshaft sind in den §§ 114 ff. StPO geregelt. Im Ermittlungsverfahren ist für den Haftbefehl ein Antrag der Staatsanwaltschaft erforderlich, außer bei Nichterreichbarkeit des Staatsanwalts und Gefahr im Verzug (§ 125) StPO. Die Untersuchungshaft muss durch einen schriftlichen Haftbefehl verfügt werden, der zwingend die in § 114 Abs. 2 StPO vorgesehenen Angaben enthalten muss. Zudem unterliegt die Untersuchungshaft dem Richtervorbehalt. Eine Eilkompetenz der Staatsanwaltschaft oder der Polizei besteht dabei nicht.

 

Wird bereits öffentliche Klage erhoben, so erlässt – sofern keine besondere Eilbedürftigkeit besteht – das mit der Sache befasste Gericht den Haftbefehl. Bei Dringlichkeit könnte der Vorsitzende den Haftbefehl erlassen (§ 125 Abs. 2 S. 2 StPO).

 

Hinweis: Führt das Finanzamt ein Ermittlungsverfahren eigenständig durch und sind die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls wegen einer Steuerstraftat erfüllt, soll das Verfahren gemäß Nr. 22 Abs. 1 Nr. 2 sowie Nr. 73 Abs. 1 AStBV (St) 2025 an die Staatsanwaltschaft abgeben werden.

 

Was beinhaltet der Haftbefehl bei einer Untersuchungshaft?

 

Aus der ebenfalls schriftlich beizufügenden Begründung muss klar hervorgehen, welcher Straftaten der Beschuldigte dringend verdächtig ist und auf welchen Umständen die richterliche Überzeugung beruht.

Bleibt der Haftbefehl bei der Untersuchungshaft nach Urteilsverkündung bestehen?

Eine Untersuchungshaft kann in jeder Phase des Verfahrens – von Beginn der Ermittlungen bis zur Rechtskraft des Urteils – angeordnet werden, einschließlich nach Verkündung des Urteils, um dessen Vollstreckung zu sichern. Ein Haftbefehl nach § 112 StPO verliert nicht automatisch mit dem Ende der Hauptverhandlung seine Bedeutung. Wird der Angeklagte verurteilt, bleibt der Haftbefehl grundsätzlich bestehen.

 

Kann eine Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn sich der Beschuldigte bereits wegen einer anderen Sache in Untersuchungshaft befindet?

 

Dem Erlass eines Haftbefehls steht nicht entgegen, dass sich der Beschuldigte bereits in einer anderen Sache in Strafhaft, Untersuchungshaft oder sonstiger amtlicher Verwahrung befindet. Denn die Haft in der anderen Sache kann unter Umständen unabhängig vom neu eingeleiteten Verfahren beendet werden. Grundsätzlich können mehrere Haftbefehle in verschiedenen Verfahren nicht gleichzeitig vollstreckt werden; der Haftbefehl der Überhaft wird erst vollzogen, wenn die Untersuchungshaft in der anderen Sache beendet ist.

 

Kann ein neuer Haftbefehl nach dessen Aufhebung angeordnet werden?

 

Ein Haftbefehl, der zuvor aufgehoben wurde, darf nur dann erneut erlassen werden, wenn sich nachträglich Tatsachen ergeben, die eine erneute Inhaftierung rechtfertigen. Ein bloß wiederholtes Aufgreifen der alten Gründe genügt nicht; es muss ein wesentlich veränderter Erkenntnisstand vorliegen, der die frühere Entscheidung in ihrem Kern in Frage stellt.

Welche Faktoren beeinflussen die Dauer der Untersuchungshaft im Einzelfall?

Die StPO sieht für die Untersuchungshaft zwar keine feste Höchstdauer vor, jedoch gilt nach § 121 StPO grundsätzlich eine sechsmonatige Frist. Wird diese überschritten, darf die Untersuchungshaft nur fortdauern, wenn die allgemeinen Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind und entweder die Ermittlungen aufgrund ihrer besonderen Schwierigkeit oder ihres außergewöhnlichen Umfangs noch nicht abgeschlossen werden konnten oder ein sonstiger wichtiger Grund einer Urteilsfindung entgegensteht.

 

Mit zunehmender Dauer der Untersuchungshaft wächst das Gewicht des Freiheitsanspruchs des Beschuldigten gegenüber dem Interesse des Staates an einer wirksamen Strafverfolgung. Hieraus folgt, dass die Anforderungen an die zügige Bearbeitung einer Haftsache mit der Dauer der Untersuchungshaft steigen. Gleichzeitig erhöhen sich auch die Anforderungen an den Fortbestehensgrund der Haft: Je länger die Untersuchungshaft dauert, desto stärker muss der Haftgrund sachlich gerechtfertigt sein, um den Freiheitsentzug zu rechtfertigen

Wie gestaltet sich das Verfahren der Untersuchungshaft im Anschluss an die Festnahme?

115 StPO verpflichtet dazu, einen aufgrund Haftbefehls festgenommenen Beschuldigten spätestens am Tag nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der den Haftbefehl erlassen hat. Dieser Richter muss den Beschuldigten persönlich vernehmen, ihm die Gründe der Festnahme mitteilen und ihm Gelegenheit geben, Einwendungen vorzubringen.

 

Die Vorschrift stellt eine zentrale Verfahrensgarantie dar und dient der Sicherung der Grundrechte aus Art. 104 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 103 Abs. 1 GG. Da der Haftbefehl zunächst ohne Anhörung des Betroffenen ergeht, ersetzt die sofortige richterliche Vorführung das fehlende rechtliche Gehör und ermöglicht dem Gericht, sich einen unmittelbaren persönlichen Eindruck vom Beschuldigten zu verschaffen.

 

Wird die Zeit in Untersuchungshaft auf die Strafe angerechnet – und was passiert bei Freispruch?

 

Untersuchungshaft wird auf die später verhängte Strafe angerechnet (§ 51 StGB). Aufgrund dieser verpflichtenden Anrechnung spielt die Untersuchungshaft bei der Strafzumessung in der Praxis meist keine Rolle. Wird der Inhaftierte hingegen nicht verurteilt, hat er nach § 2 Abs. 1 StrEG einen Anspruch auf Entschädigung.

Wie kann gegen einen Untersuchungshaftbefehl vorgegangen werden?

Staatsanwaltschaft und Gericht müssen jederzeit von sich aus prüfen, ob ein bestehender Haftbefehl aufzuheben (§ 120 StPO) oder außer Vollzug zu setzen (§ 116 StPO) ist. Im Verlauf des Ermittlungsverfahrens kann sich die rechtliche Einschätzung der materiell-rechtlichen sowie der strafprozessualen Voraussetzungen eines Haftbefehls verändern. Die beschuldigte Person verfügt über zwei verschiedene Rechtsbehelfe, um sich gegen einen richterlichen Haftbefehl zu wehren: die Haftbeschwerde nach §§ 304 ff. StPO und die Haftprüfung nach §§ 117 ff. StPO.

 

  • Die Haftbeschwerde kann nur einmal gegen denselben Haftbefehl eingelegt werden. Sie hat zudem einen sogenannten Devolutiveffekt. Dies bedeutet, dass die Entscheidung über den Rechtsbehelf auf ein höheres Gericht übergeht. Das Verfahren wird also „nach oben“ weitergeleitet, sodass eine höhere Instanz als der Ermittlungsrichter den Haftbefehl überprüft.

 

  • Die Entscheidung über die Haftprüfung trifft der Ermittlungsrichter als Haftrichter (§ 126 StPO). Die Haftprüfung ist ein unmittelbares Kontrollverfahren, das denselben Richter verpflichtet zu prüfen, ob die Untersuchungshaft weiter bestehen darf.

 

Ein weiterer wichtiger Unterschied: Während die Haftbeschwerde nur einmal zulässig ist, kann ein Antrag auf Haftprüfung beliebig oft gestellt werden. Dadurch erhält der Beschuldigte die Möglichkeit, die Fortdauer der Untersuchungshaft regelmäßig überprüfen zu lassen – insbesondere dann, wenn sich der Stand der Ermittlungen oder die Beurteilung der Haftgründe verändert.

Unser Angebot bei Untersuchungshaft / U-Haft

Wir unterstützen Betroffene und ihre Angehörigen in sämtlichen Phasen der Untersuchungshaft umfassend und zuverlässig. Unsere Tätigkeit beginnt bereits mit der sofortigen Kontaktaufnahme zum Festgenommenen, um einen ersten Überblick über die Situation zu erhalten, die Rechte des Beschuldigten zu sichern und eine frühzeitige Verteidigungsstrategie zu entwickeln. Wir übernehmen die Beantragung von Haftprüfungen und Haftbeschwerden, prüfen sorgfältig, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft – wie Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr – tatsächlich vorliegen und arbeiten konsequent darauf hin, die Außervollzugsetzung des Haftbefehls zu erreichen.

 

Zudem beraten wir bei allen organisatorischen Fragen, die während der Untersuchungshaft auftreten können, etwa zu Besuchs- und Kommunikationsregelungen, zum Schriftverkehr, zu Genehmigungen oder zum Umgang mit den Justizbehörden. Gemeinsam bereiten wir den Beschuldigten auf das weitere Verfahren vor, unterstützen bei der Beweissicherung, besprechen Verteidigungsoptionen und sorgen dafür, dass alle Verfahrensschritte transparent und verständlich bleiben.

 

Unser Ziel ist es, in dieser emotional und rechtlich belastenden Phase verlässliche Orientierung, Schutz der Rechte und eine wirksame Verteidigung zu gewährleisten.

Untersuchungshaft / U-Haft

Wie können wir für Sie tätig werden

Antrag auf Haftprüfung und Einlegen einer Haftbeschwerde

Sofern Sie sich in Untersuchungshaft befinden, legen wir für Sie einen Antrag auf Haftprüfung oder eine Haftbeschwerde ein, um die Untersuchungshaft möglichst zeitnah zu beenden.

Antrag auf Haftprüfung und Einlegen einer Haftbeschwerde bei einem Hauptverhandlungshaftbefehl

Sollte ein Hauptverhandlungshaftbefehl angeordnet worden sein (§ 127b StPO), beantragen wir auch hier eine Haftprüfung oder legen eine Haftbeschwerde ein.

Verteidigung im Ermittlungsverfahren sowie im Fall einer Anklage

Die Untersuchungshaft ist naturgemäß stark mit einem strafrechtlichen Verdacht verknüpft, den wir mit Ihnen gemeinsam im Rahmen des Ermittlungsverfahrens bestmöglich ausräumen. Diese Arbeit bildet die Basis für den Kampf gegen einen Haftbefehl. Hierbei liegt unsere besondere Expertise bei komplexen und internationalen Fällen des Steuerstrafrechts, da wir Sie nicht nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden verteidigen, sondern gleichermaßen gegenüber dem Finanzamt vertreten.

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